Vanilla planifolia

Vanilla planifolia

Vanilla planifolia
(Foto: Marina Conle)

Autor/in: Miriam Richardt
Veröffentlicht: 07.12.2020

Wie die Vanille zu den Menschen kam

Ob im Sommer als Eis oder im Winter als Gewürz für die leckersten Plätzchen: Vanille lieben wir alle. Von der Industrie wird sie für Parfüm, Kosmetika und Arzneien verwendet und ist ein vielseitig einsetzbarer Aromastoff, der unseren Geist und Körper mal beruhigt und mal belebt. Doch wo kommt sie eigentlich her? Was gibt es Wissenswertes über sie und was passiert alles, ehe sie in unsere Supermarktregale gelangt?

Die Vanille kommt ursprünglich aus der Region Veracruz am Golf von Mexiko. Dort liegt die Heimat des Volkes der Totonac, deren Geschichte und Legende untrennbar mit der Vanille verknüpft sind. Durch sie lernten zuerst die benachbarten Azteken und später die spanischen Eroberer die Vanille kennen. Doch immer schön der Reihe nach. Fangen wir zunächst mit dem Ursprung der Vanille an. Die Totonac haben eine Legende, die davon handelt:

Vanilla Verbreitungskarte

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Gattung Vanilla
(Foto: Miriam Richardt)

Tzacopontziza und Zkatan-Oxga

Tzacopontziza und Zkatan-Oxga
(Foto: Miriam Richardt (Zeichnung))

Tzacopontziza, Zkatan-Oxga und die unsterbliche Liebe – oder die Entstehung der Vanille

In einem fruchtbaren Land, das von Gott reich beschenkt und vom glänzenden Mond behütet wurde, lag einst ein wunderschönes Königreich namens Tononacopan. Dort herrschte König Tenitzli gemeinsam mit seiner Ehefrau über das Volk. Die beiden hatten eine unbeschreiblich schöne Tochter – schöner noch als die Sterne am nächtlichen Himmelszelt – daher benannten sie sie nach dem Morgenstern Tzacopontziza. Der König konnte den Gedanken nicht ertragen, seine Tochter jemals mit einem sterblichen Mann zu vermählen und so wurde Tzacopontziza eine Priesterin der Göttin Tonoacayohua. Da Tonoacayohua die Göttin der Ernte und Speisen war, verbrachte die Prinzessin ihre Tage im Tempel und brachte der Göttin Nahrung und Blumen als Opfergaben dar. Dem König war bewusst, dass sich trotzdem jeder Mann sofort in seine Tochter verlieben würde, sobald er ihr Antlitz erblickte, und deshalb verhängte er eine Strafe auf das Betrachten seines Morgensterns. Jeder Mann, der es fortan wagen würde, einen Blick auf die Prinzessin zu werfen, wäre im selben Augenblick des Todes.

Es trug sich zu, dass zur gleichen Zeit in einem nicht weit entfernten Königreich ein junger Prinz lebte, dessen Lieblingsbeschäftigung das Jagen war. Sein Name lautete Zkatan-Oxga, was übersetzt so viel wie »junger Hirsch« bedeutet, denn er war schnell und geschickt. Oft streifte er tagelang durch die Wälder auf der Suche nach neuen Jagdgründen. So kam es, dass er eines Tages bei einem seiner Streifzüge die Spur einer Hirschkuh entdeckte und ihr bis zu einer Lichtung folgte. Als er sich gerade in einem Gebüsch auf die Lauer legte, vernahm er eine liebliche Stimme. Sie kam von einer jungen Frau, die neben einem kleinen Bach Blumen pflückte. Im Schutz der Bäume stand er wie verzaubert, denn schöner als ihre Stimme noch war ihre liebreizende Erscheinung. Da wurde ihm schlagartig klar, dass dies Prinzessin Tzacopontziza sein musste. Deren Schönheit war bis weit über die Grenzen ihres eigenen Königreichs berühmt, genau wie die Strafe, die darauf stand sie zu betrachten. So hatte er auch in seinem Königreich schon Gerüchte über ihr sagenumwobenes Aussehen vernommen, aber da niemand je von sich behaupten konnte, dass er sie höchst selbst erblickt habe, hatte er ihnen nie wirklich Glauben geschenkt. Und obwohl dem Prinz nun bewusst war, dass er soeben sein Leben riskierte, so konnte er dennoch den Blick nicht abwenden. Er war von ihrer Anmut und Schönheit überwältigt und verfiel sofort in unsterbliche Liebe zu ihr. Fortan war er von dem Gedanken besessen, sie zur Frau zu nehmen – komme, was da wolle.

In den darauffolgenden Tagen und Wochen kam der Prinz immer wieder zu der Lichtung und beobachtete heimlich die Prinzessin. Eines Morgens, als dichte Wolken und morgendlicher Nebel tief auf den Hügeln lagen, fasste Junger Hirsch den Entschluss, Tzacopontziza zu ergreifen und mit ihr zu fliehen. Er sprang aus dem Unterholz, stellte sich ihr in den Weg, erklärte ihr seine Liebe und ergriff sie am Arm. Obwohl die Prinzessin der Totonac über das plötzliche Erscheinen und die brennende Leidenschaft Zkatan-Oxgas erschrak, verfiel auch sie dem Prinzen und willigte ein, mit ihm zu gehen.

Gerade als sie abseits des Weges aus dem bewaldeten Tal kamen und die ersten Berge erreichten, sprang ein schauerliches Ungeheuer von einem Felsblock, spuckte Feuer und zwang die beiden auf den Weg zurück. Als sie dorthin zurückflohen, tauchten plötzlich die Priester der Tonoacayohua auf, und als sie die Flüchtigen erblickten, versperrten sie ihnen ebenfalls den Weg. Noch ehe die Liebenden einen anderen Ausweg finden konnten, erschlugen die Priester den Prinzen. Aus lauter Verzweiflung über das Ableben ihres Geliebten folgte die Prinzessin ihm in den Tod und so traten sie eng umschlungen ins Jenseits ein.

Einige Tage nach ihrem Tod wurde das Gras auf eben diesem Fleckchen Erde welk und wie durch ein Wunder erhob sich aus dem blutgetränkten Boden ein kleiner Sprössling. Binnen weniger Tage entwickelte er sich zu einem großen, kräftigen Busch mit dichtem Blattwerk, der bereits über einen Meter in die Höhe ragte. Kurz darauf begann eine zarte smaragdgrüne Kletterpflanze aus der Erde zu sprießen und die Zweige des Busches wie in einer innigen Umarmung zu umranken. Wiederum einige Tage darauf tauchten an den Ranken zarte gelbgrüne Orchideenblüten auf, die einen betörenden Duft verströmten, und in ihrer Schönheit erkannten die Totonac die tote Prinzessin. Schnell wurde ihnen klar, dass die Göttin den Liebenden aus Mitleid für ihre verzweifelte Situation diese neue Gestalt gegeben haben musste, damit sie so auf ewig vereint sein konnten. Von diesem Tage an verehrten die Totonac die Vanille und als aus den Blüten schlanke Schoten erwuchsen, brachten sie diese der Göttin als heilige Gaben dar. Seither schenken die Totonac ihrer Gottheit – und der Welt – die Vanille.

Vanilla planifolia

Marina Conle kultiviert ihre Vanilla planifolia an den Wänden ihres Wintergartens
(Foto: Marina Conle)

Vanilla planifolia

Die Blüten öffnen sich einzeln, es sind maximal 2 Blüten eines Blütenstandes gleichzeitig offen. Ein Blütenstand bringt bis zu 30 Blüten hervor, meist jedoch um die 20. Bei meist einer Blüte pro Tag und der anfänglichen schnellen Entwicklung der Kapseln sind natürlich die ersten Schoten schon recht lang, bis die letzte Blüte bestäubt werden kann. Die eigentliche Reife beginnt nach Bestäubung der letzten Blüte , dann werden die Kapseln nochmal etwa doppelt so lang.
(Foto: Marina Conle)

Die Vanille als Nutzpflanze

Heute wird die Vanille-Orchidee, Vanilla planifolia, an vielen Orten angebaut, wie etwa in Indonesien und Indien, auf den Komoren, La Réunion, Tahiti, Papua-Neuguinea und Madagaskar, doch bis ins 19. Jahrhundert besaß Mexiko das Monopol auf Vanille. Grund dafür waren nicht nur die klimatischen Bedingungen, sondern auch das geheime Wissen um ihren Anbau und ihre Verarbeitung. Dass hauptsächlich die in Mexiko und Zentralamerika heimische Melipona-Biene die Vanille auf natürliche Weise bestäubt, war hingegen unbekannt. Wie kann es dann sein, dass heute ca. 80 % der weltweit hergestellten Vanille aus Madagaskar kommen? In der Region um Afrika kommt die Melipona-Biene nicht vor.

Das verdanken wir einem Sklavenjungen namens Edmond Albius, der 1841 auf der Insel La Réunion mit gerade einmal zwölf Jahren herausfand, wie man die Vanille-Orchidee auch künstlich bestäuben kann. Seine Methode bildete den Grundstein für die erfolgreiche Produktion von Vanille außerhalb Mexikos und wird bis in die Gegenwart so angewandt. Kommerziell hergestellte Vanille wird heute ausschließlich von Menschenhand bestäubt.

Da die Vanille bereits in den vorspanischen Hochkulturen Mesoamerikas als Delikatesse galt, war sie schon damals eine beliebte Handelsware. Die Azteken veredelten ihr Kakao-Getränk mit der süßlichen Vanille und auch die Spanier entdeckten auf ihren Eroberungszügen in der Neuen Welt die Vanille für sich. Es heißt, der berühmte Azteken-Herrscher Moctezuma II. (Montezuma) trank täglich an die fünfzig Tassen des mit Vanille gewürzten Kakaos: Die edle Schote galt schon im vorkolonialen Mexiko als Aphrodisiakum und Allheilmittel. Die Azteken nannten die Vanille Ixtlilxochitl, was »schwarze Blume« bedeutet. Ihren bekannten dunkelbraunen, fast schwarzen Glanz erhalten die Vanilleschoten allerdings erst durch Trocknung und Fermentierung – bei der Ernte sind die Schoten noch grün.

Vor der Ernte stehen jedoch noch der aufwendige Anbau und die künstliche Bestäubung an. Es kann nach dem Anpflanzen bis zu drei Jahre dauern, ehe die Vanillepflanze Früchte trägt. Sie ist eine Kletterpflanze und braucht einen Baum oder Stock, um in die Höhe ranken zu können. Ihre Triebe und Reben können bis zu 30 Meter lang werden und in eine Höhe von mehr als zehn Meter reichen. Die 15-20 cm langen dunkelgrünen, fleischigen Blätter haben eine ovale längliche Form und entstehen immer abwechselnd auf jeder Seite eines Triebes. Die Blütenstände der Vanille wachsen in Trauben auf kurzen Stielen in den Blattachseln. Eine Traube kann bis zu 100 Blüten enthalten, in der Regel entstehen aber nicht mehr als 20. Sie verströmen einen süßlichen Duft und haben je nach Art weiße, grüne, gelbe oder cremefarbene Blütenblätter. Ihre Lebenszeit ist sehr kurz, sie blühen nur einen einzigen Tag: Sie öffnen sich im Morgengrauen und bei Sonnenuntergang schließen sie sich wieder – endgültig. Deshalb müssen Vanillebauern auch so überaus wachsam sein, um dieses kurze Zeitfenster für die künstliche Bestäubung nicht zu verpassen, denn anschließend verwelkt die Blüte, unabhängig davon, ob sie bestäubt wurde oder nicht.

Im Falle einer erfolgreichen Bestäubung brauchen Vanilleschoten 8-9 Monate zum Reifen. Ganz schön lange… Wenn sie dann endlich etwa daumendick sind und eine Länge von 12-25 cm erreicht haben, können sie geerntet werden. Aber damit sind sie noch lange nicht verzehrbereit. Zu diesem Zeitpunkt haben sie wenig Aroma und Duft. Zunächst werden sie dann mit heißem Wasser behandelt und anschließend für bis zu zehn Tage in die pralle Sonne zum Trocknen gelegt. Dadurch schrumpfen sie auf 25-30 % ihrer ursprünglichen Größe. Jetzt können sie nach Größe und Qualität sortiert werden, bevor sie für weitere 1-2 Monate eingelagert werden, um ihr volles Aroma und ihren Duft zu entwickeln.

Vanilla planifolia

Man muss die Schoten zum “schwitzen” bringen um ihr volles Aroma herauszuholen, weshalb sie in den Anbaugebieten abends in Tücher gepackt werden, denn es muss unbedingt vermieden werden, dass sie ihre Feuchtigkeit zu schnell verlieren.
(Foto: Marina Conle)

Vanilla planifolia

Marina Conle lässt ihre “Besen” (so nennt man mehrere zusammen gewachsene Schoten etwas überreifen, also ein paar Schoten platzen bei der Ernte bereits auf, da die Bestäubung über einen Zeitraum von ca 4 Wochen erfolgt und somit die letzten Schoten eines “Besens” auch noch etwas Zeit brauchen, die ersten aber dann wie gesagt schon platzen. Zu dem Zeitpunkt ist noch kein Vanillin freigesetzt. Auf dem Foto ist der Reifegrad eines Besens zum Erntezeitpunkt zu sehen.
(Foto: Marina Conle)

Es gibt weltweit etwa 120 verschiedene Vanille-Arten: Die wohl bekannteste ist die Gewürz-Vanille, Vanilla planifolia. Sie wird wegen ihres Aromas gerne zum Kochen und Backen verwendet, denn sie hat den höchsten Gehalt an Vanillin, jenem Hauptaromastoff, der für den einzigartigen Geschmack verantwortlich ist. Andere Vanille-Arten haben andere Aroma-Bestandteile und einen niedrigeren Vanillin-Gehalt und werden deswegen hauptsächlich in der Kosmetik- und Parfümindustrie eingesetzt.

Natürliche Vanille ist nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt und die weltweit arbeitsintensivste landwirtschaftliche Nutzpflanze, weshalb sie auch so teuer ist. Wegen des hohen Preises und der starken Nachfrage für echte Vanille begann man mit der Herstellung künstlichen Vanillins. Mittlerweile sind 97 % der als Aroma- oder Duftstoff verwendeten Vanille künstlichen Ursprungs. Dem Vergleich mit natürlicher Vanille hält jene aber nicht stand, da die natürliche Vanille über 250 verschiedene organische Bestandteile enthält. Künstliche Vanille dagegen besteht nur aus einer einzigen organischen Komponente, Vanillin – dem Aroma- und Duftbestandteil, den wir am meisten mit Vanille in Verbindung bringen. Trotzdem ist es der heutzutage am häufigsten verwendete Aromastoff: er ist in Coca-Cola, zahlreichen Milchprodukten wie Eis und Joghurt und vielem mehr enthalten. Und nur mal unter uns: es gibt inzwischen zwar die unterschiedlichsten Eissorten, aber Vanilleeis ist weltweit der ungeschlagene Champion unter ihnen. Keine andere ist auch nur annähernd so beliebt. Schon ziemlich cool für eine einzelne Orchideenart…
Mehr Informationen zu Vanilla planifolia gibt es im Beitrag Vanilla planifolia – Zur frühen Wirtschaftsgeschichte eines tropischen Superaromas von Werner Fibeck.

Rezept Vanillekipferl

Zutaten:

250 g geriebene weiße Mandeln (ohne Schale!)

700 g Mehl

180 g Zucker

500 g Butter

5 Eigelb

13 Tütchen Vanillezucker

125 g Puderzucker

Zubereitung:

Backofen auf 150-175 °C Heißluft vorheizen; Mehl sieben und mit Mandeln, Zucker und den Butterflöckchen verrühren; die Eigelbe dazugeben und gut durchrühren; das Ganze mit kühlen Händen nochmals durchkneten; aus dem Teig 5 cm lange, fingerdicke Stangen ausrollen, diese an beiden Enden spitz zulaufen lassen und zu einem Halbmond formen; ein Backblech mit Backpapier auslegen und die Kipferl mit etwas Abstand darauflegen; beim Backen unbedingt dabeibleiben, damit die Kipferl nicht zu dunkel werden; das kann mitunter sehr schnell gehen, die Kipferl sollen aber bloß hellgolden werden. Währenddessen Vanillezucker und Puderzucker mischen und in ein flaches Gefäß geben; die Kipferl aus dem Ofen holen und noch warm im Zuckergemisch wälzen, fertig!