Stelis rodrigoi – eine außergewöhnlich haarige Miniaturorchidee aus der Gruppe der Pleurothallidinae
(Foto: Thomas Jacob)
Im Jahr 1982 beschrieb Carlyle August LUER die Pflanze unter dem Namen Condylago rodrigoi in „Orquideologia“. Mit dem Artnamen rodrigoi ehrte er den kolumbianischen Orchideensammler Rodrigo ESCOBAR, der die Art seit der Entdeckung erfolgreich kultivierte. Knapp 20 Jahre später, im Jahr 2001, publizierten Mark Wayne CHASE und Alec Melton PRIDGEON einen Artikel in „Lindleyana“, in dem sie die Art in die Gattung Stelis überführten. Auch Carlyle August LUER selbst folgte dieser Meinung und schrieb 2016 für „Harvard Papers in Botany“ eine erneute Eingruppierung in die Gattung Stelis. Der Gattungsname Stelis leitet sich sowohl vom lateinischen stelis sowie vom griechischen stelís ab. Beide Wörter stehen für Pflanzen wie Misteln, die als Schmarotzer auf anderen Pflanzen aufsitzen. Stelis rodrigoi ist allerdings kein Schmarotzer, der sich an den Halt gebenden Bäumen bereichert. Als Epiphyt sitzt sie lediglich auf und versorgt sich vollkommen selbstständig.
Stelis rodrigoi kommt ausschließlich im Verwaltungsbezirk (Department) Antioquia im Nordwesten Kolumbiens vor. Sie wächst dort epiphytisch auf Bäumen und Sträuchern. Die meist kühlen Standorte liegen zwischen 1400 und 1600 Metern über dem Meeresspiegel. Die Pflanzen sind durch das Laub der Bäume vor zu starker Sonneneinstrahlung geschützt. Niederschläge gibt es das ganze Jahr über in Form von Regen und Nebel. Dadurch trocknet das Habitat niemals vollkommen aus und ist stets feucht. Aus diesem Grund braucht Stelis rodrigoi auch keine Speicherorgane in Form von Pseudobulben oder Ähnlichem. Die Luftfeuchtigkeit ist ganzjährig sehr hoch und es herrscht immer eine recht starke Luftbewegung.
Habitus von Stelis rodrigoi
(Foto: Thomas Jacob)
Seitenansicht von Stelis rodrigoi
(Foto: Werner Holzmann)
An einem recht kurzen Stiel, der von ein bis zwei trockenen Hüllblättern umgeben ist, sitzt jeweils ein einzelnes dunkelgrünes Blatt, das bis zu 10 cm lang und stark gekielt ist und spitz zuläuft. An der Blattbasis entspringen die Infloreszenzen, die mit bis zu 25 Zentimetern deutlich über das Laub hinausragen. Jede Infloreszenz bringt mehrmals hintereinander einzelne kleine Blüten hervor, die lediglich 4-5 Millimeter groß sind. Die Sepalen sind mit zahlreichen weißen Härchen besetzt. Die Grundfarbe der äußeren Blütenblätter variiert zwischen Orangegelb und zartem Rot. Die Petalen öffnen sich nicht völlig und sind der Säule entlang nach vorne gerichtet. Sie sind kräftig dunkelrot gefärbt und nicht mit Haaren besetzt, ebenso das dunkelrote, wenig auffällige Labellum. Die Blüten duften nicht. Hauptblütezeit ist im Herbst, wobei die Blütentriebe ganzjährig erscheinen können. Durch das ständige Nachschieben von einzelnen Blüten erstreckt sich die Blühdauer einer Infloreszenz über mehrere Monate.
Ich kultiviere meine Stelis rodrigoi im Grunde genauso wie meine Restrepien. Sie ist getopft in Lavagranulat in der Körnung 2-8 mm. Auch aufgebundene Kultur ist natürlich möglich, allerdings ist dann eine Orchideenvitrine oder ein Gewächshaus zu empfehlen, damit die feinen Wurzeln nicht austrocknen. Der Topf steht bei mir das ganze Jahr über in einem mit Wasser gefüllten Untersetzer. Der mineralische Pflanzstoff saugt sich somit immer gleichmäßig feucht und trocknet nicht aus. Zwischen den einzelnen Substrat-Teilchen entstehen kleine Lufträume, die eine gute Belüftung der Wurzeln gewährleisten. Der größte Vorteil von mineralischem Substrat ist, dass sich die Bestandteile nicht zersetzen, was bei Rinde oder Moos in Verbindung mit Dauerfeuchtigkeit oft schnell passiert. Getopft werden muss also erst, wenn der Topf zu klein wird. Stelis rodrigoi liebt Feuchtigkeit und hasst Trockenheit. Wie oben schon erwähnt besitzt die Art keine Speicherorgane wie manch andere Orchideenart. Steht sie einmal zu lange zu trocken, bedeutet das meistens den Tod der Pflanze. Gelegentliches Tauchen, wenn die Pflanzen in organischem Substrat getopft waren, war unter meinen Bedingungen nicht von Erf0lg gekrönt, weshalb ich inzwischen alle Pleurothallidinae auf mineralisches Substrat umgestellt habe.
Das Gießwasser, mit dem ich die Schale auffülle, hat einen Leitwert von ca. 150 Mikrosiemens/cm. Von März bis in den frühen Herbst wird 1-2 Mal im Monat gedüngt. Dabei dünge ich das Wasser auf etwa 300 Mikrosiemens/cm auf. Gelegentlich wird der Topf mit klarem Wasser durchgespült, um ein Versalzen des Pflanzstoffes zu verhindern. Tut man das nicht, reichern sich im Laufe der Zeit zu viele Salze (Düngerreste) im Topf an, die dann die feinen Wurzeln beschädigen könnten. Im Winter dünge ich nicht. Stelis rodrigoi steht im Sommer im kühlen Treppenhaus an einem Fenster, das nach Norden ausgerichtet ist. Hier bleibt es einfach während der heißen Tage am kühlsten und die schattigen Lichtverhältnisse scheinen ihr zu genügen. Im Winter steht die Pflanze dann an einem hellen Westfenster in einem unbeheizten Raum. Dort ist es ebenfalls schön kühl, bietet aber deutlich mehr Licht während der dunklen Jahreszeit. Die nächtlichen Temperaturen fallen dort auf ca. 10 Grad ab – je nach Außentemperatur. Während ich im Sommer sehr darauf achte, dass die Blätter vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt sind, darf in den Wintermonaten von November bis Mitte Februar das Sonnenlicht ungehindert auf die Pflanze fallen – besonders oft scheint die Sonne im Winter ja ohnehin nicht. Ab Ende Februar/Anfang März wird die Sonnenstrahlung allerdings schon wieder so stark, dass es schnell zu Verbrennungen auf den Blättern kommen kann. Diese Verbrennungen sind dauerhaft und lassen sich nicht behandeln. Aus diesem Grund muss zwingend ab Mitte Februar schattiert werden oder man ändert eben den Standort.
Die haarigen Blüten von Stelis rodrigoi mit ihren kräftigen Farben ziehen alle Blicke auf sich und bereichern jede Orchideensammlung. Viel Erfolg beim Kultivieren!
Die Blüte von Stelis rodrigoi im Profil
(Foto: Thomas Jacob)