Habitus von Specklinia costaricensis
(Foto: Thomas Jacob)
Als Pleurothallis costaricensis beschrieb Robert Allen ROLFE die Art erstmalig im Jahr 1917 in “Bulletin of Miscellaneous Information” der Kew Gardens in London. Die beiden Botaniker Alec Melton PRIDGEON und Mark Wayne CHASE kombinierten die Art 2001 in “Lindleyana”, dem zwischen 1986 und 2002 publizierten Wissenschaftsmagazin der American Orchid Society (AOS), in die von John LINDLEY 1830 aufgestellte Gattung Specklinia um. Der Gattungsname Specklinia ist dem Bildhauer Veit Rudolf Specklin (1505-1550), auch Speckel oder Speckle geschrieben, gewidmet, der unter anderem die Holzschnitte für die Bildtafeln von “De Historia Stirpium” – einem botanischen Werk des 16. Jahrhunderts – anfertigte. Costaricensis leitet sich offensichtlich vom ersten Fundort in Costa Rica ab. Specklinia costaricensis ist also Specklins Orchidee aus Costa Rica.
Die filigranen Blüten strahlen leuchtend gelb
(Foto: Thomas Jacob)
Die Infloreszenzen ragen über das Laub hinaus
(Foto: Thomas Jacob)
Neben Costa Rica wurde die Art auch im benachbarten Panama gefunden. Während die Standorte in Costa Rica meist höher liegen und eher temperiert-kühle Temperaturbedingungen aufweisen, findet man die Art in Panama oft in niedrigeren Lagen, die ganzjährig warm sind. Teilweise steigen die Temperaturen tagsüber auf über 30 Grad Celsius an. Je nach Standort fallen sie nachts auf 10-15 Grad ab. Durch ihre Nähe zum Äquator gibt es in den beiden zentralamerikanischen Ländern nur wenig jahreszeitliche Temperaturschwankungen. Regen fällt das ganze Jahr hindurch, von Mai bis November fast täglich, von Dezember bis April mit etwa drei bis vier Regentagen pro Monat deutlich weniger. Durch die sehr hohe Luftfeuchtigkeit trocknet das Habitat aber niemals komplett aus. Es bietet dauerhaft Feuchtigkeit für die feinen Wurzeln von Specklinia costaricensis.
Die wirklich kleinen Pflanzen wachsen epiphytisch auf Bäumen und Sträuchern. Auf sehr kurzen und dünnen Stielen sitzen ca. 5 cm lange Blätter, die sehr schmal und fein sind und kaum Wasser speichern können. Auch sonst besitzt Specklinia costaricensis keine Speicherorgane, wie etwa Pseudobulben. Durch das immerfeuchte Habitat benötigt sie auch keine. Vom Frühjahr bis in den Herbst erscheinen immer wieder neue Infloreszenzen, die fast doppelt so lang werden wie das Laub. An jedem Blütentrieb sitzen bis zu 12 leuchtend gelb gefärbte Blüten, die nur wenige Millimeter groß sind und nicht duften.
Makroaufnahme der Blüten von Specklinia costaricensis
(Foto: Thomas Jacob)
Makroaufnahme der Blüten von Specklinia costaricensis
(Foto: Thomas Jacob)
Da ich bei Pflanzen aus der Familie der Pleurothallidinae gute Erfahrungen mit der Kultur in mineralischen Substraten gemacht habe, topfte ich auch Specklinia costaricensis direkt nach Erhalt neu und setzte sie auf Lavagranulat. Die Körnung liegt zwischen zwei und acht Millimeter. Wichtig bei der Kultur in mineralischen Substraten ist, dass die Pflanzenteile, die keine Wurzeln sind, nicht im Pflanzstoff vergraben werden, sondern lediglich oben aufsitzen, da es sonst zu Fäulnis kommen kann. Natürlich ist auch eine aufgebunden Kultur möglich, sofern man eine Orchideenvitrine oder ein Gewächshaus bieten kann. Auch getopft in Sphagnum, feiner Rinde oder einer Mischung aus beidem sollte funktionieren. Wichtig ist, dass das Gießverhalten an das Medium angepasst wird.
Der Topf sollte stets gleichmäßig feucht gehalten werden. Zu trocken, aber auch zu nass kann problematisch werden, wenn es über einen längeren Zeitraum anhält. Bei mineralischer Kultur kann der Topf immer in einer kleinen Pfütze Wasser stehen. Durch die Kapillarität des Lavagranulats zieht sich der Pflanzstoff das Wasser nach oben und bietet somit gleichmäßige Feuchtigkeit im gesamten Topf. Da mineralische Stoffe strukturstabil sind, ist auch immer genug Luftaustausch zwischen dem Granulat möglich. Außerdem verrottet es nicht und es muss erst neu getopft werden, wenn die Pflanze über den Topfrand wächst. Von oben wird nur ab und an etwas klares Wasser zum Durchspülen des Topfes gegossen, um ein Versalzen des Pflanzstoffes zu vermeiden. Gedüngt wird regelmäßig, aber in sehr schwacher Konzentration. Mein Gießwasser hat stets einen Leitwert von 100-200 Mikrosiemens.
Auch das Laub von Specklinia costaricensis ist sehr schmal und filigran
(Foto: Thomas Jacob)
Makroaufnahme der Blüten von Specklinia costaricensis
(Foto: Thomas Jacob)
Die ersten Kulturversuche erfolgten bei mir in meinem warmen Orchideenzimmer. Die Pflanze wuchs gut, wollte aber nicht blühen, nur gelegentlich wurde mal eine einzelne Infloreszenz gebildet, trotz des üppigen Laubs. Im späten Sommer stellte ich die Pflanze zu meinen Restrepien an einen etwas kühleren Platz und siehe da, es kommen etliche Blütentriebe. Drei davon blühen jetzt zusammen. Weitere sind schon in allen Stadien unterwegs. Kühlere Temperaturbedingungen sind also offenbar der Blüteninduktion förderlich. Besonders lichthungrig scheint Specklinia costaricensis dafür nicht zu sein. Sowohl der vorherige wärmere Kulturplatz wie auch der jetzige sind eher schattig. Der aktuelle Platz ist das kühle, nach Norden ausgerichtete Treppenhaus. Die Pflanze steht dort direkt am unverbauten Nordfenster im zweiten Stock. Hell, aber ohne jegliche direkte Sonneneinstrahlung, das scheint ihr vollkommen zu genügen.
Die leuchtenden Blüten, die über die üppigen kleinen Büschel aus Blättern emporragen, sind ein wirklicher Hingucker im sonst eher faden Treppenhaus.
Viel Erfolg beim Kultivieren!
Makroaufnahme der Blüten von Specklinia costaricensis
(Foto: Thomas Jacob)