Prosthechea cochleata

Prosthechea cochleata

Prosthechea cochleata beginnt zu blühen
(Foto: Thomas Jacob)

Autor/in: Thomas Lehmann
Veröffentlicht: 15.10.2018
Synonyme:
Encyclia cochleata

Der schwedische Botaniker, Physiker und Zoologe Carl LINNAEUS, der als Vater der modernen Taxonomie gilt, beschrieb diese außergewöhnliche Naturform bereits im Jahr 1763 als Epidendrum cochleatum in seinem zweibändigen Werk „Species Plantarum“ (lat.: Pflanzenarten), in dem er alle ihm bekannten Pflanzenarten beschrieb und erstmals für jede Pflanze einen zweiteiligen lateinischen Namen (Binomen) vergab. 1842 ordnete der deutsche Botaniker, Entomologe und Ornithologe Johann Centurius Graf von HOFFMANNSEGG die Art der Gattung Anacheilium zu. Bis ins Jahr 1961 blieb Anacheilium cochleatum der gültige Name. Robert Louis DRESSLER, ein US-amerikanischer Botaniker nahm im Jahr 1961 allerdings eine weitere Neuzuordnung vor und veröffentlichte dies in „Brittonia“. Er war der Meinung, dass diese Art zur Gattung Encyclia gehöre. Der offizielle Name ab 1961 lautete demnach Encyclia cochleata. Im Jahr 1997 bekam Prosthechea cochleata dann ihren bis heute anerkannten Namen vom US-amerikanischen Botaniker Wesley Erwin HIGGINS. Diese bisher letzte Umkombination wurde im Jahr 1998 in „Phytologia“ publiziert. Alle aufgeführten Namen werden auch heute noch als Synonyme geführt und von einigen Züchtern verwendet.

Prosthechea cochleata hat ein riesiges Verbreitungsgebiet, das sich vom südlichen Teil Nordamerikas über weite Teile Südamerikas und zahllose Inseln im Atlantik und Pazifik erstreckt. Sie wächst dort sowohl epiphytisch, wie auch terrestrisch, in dicht bewachsenen, tropischen Laubwäldern, die immergrün und auch immer feucht sind. Finden lässt sich diese Naturform vom Meeresspiegel bis zu Höhen von 1900 Metern. Die Temperaturbedingungen in diesen sehr unterschiedlichen Lagen schwanken daher auch von kühl bis warm. Teilweise findet man Psh. cochleata in sehr schattigen, manchmal in sehr hellen, teilweise sonnigen Lagen. Gemein haben die Standorte, dass sie ganzjährig feucht sind mit regelmäßigen Niederschlägen.

Prosthechea cochleata

Die erste Blüte einer Infloreszenz in Guatemala
(Foto: Werner Blahsl)

Prosthechea cochleata

Ebenfalls in Guatemala ist Prosthechea cochleata auch epiphytisch zu finden
(Foto: Werner Blahsl)

Die „Tintenfisch-Orchidee“, wie sie oft genannt wird, bildet circa 6-10 cm hohe Pseudobulben aus, auf denen jeweils zwei Blätter sitzen. Jedes Blatt wird bis zu 20 cm lang. Zwischen den zwei Blättern entspringt, meist im Frühjahr, eine Infloreszenz aus einer Blütenscheide, die über viele Monate hinweg blüht, da ständig neue Knospen gebildet werden. Meist sind aber mehrere Blüten zur gleichen Zeit geöffnet, da die einzelnen Blüten einige Wochen halten, ehe sie verwelken. Die Blüten sind nicht resupiniert, d. h. sie stehen quasi auf dem Kopf. Das violettfarbene Labellum zeigt nach oben und ist wie eine Muschel geformt. Die Petalen und Sepalen sind gelb und wachsen stark nach unten gerichtet wie die Tentakel eines Tintenfisches. Auf den gelben Petalen und Sepalen sind teilweise kleine violette Pünktchen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die Blüten duften nicht.

Vor ungefähr eineinhalb Jahren bekam ich von einer Freundin eine Rückbulbe von Prosthechea cochleata, die beim Umtopfen abgefallen war. Ein Neutrieb war bereits vorhanden, der auch schon schöne Wurzeln gebildet hatte. Die Pseudobulbe, die letztes Jahr gewachsen ist, bildete zwar schon eine Blütenscheide, eine Infloreszenz blieb aber noch aus. Dieses Jahr nun kam aus der neuen Pseudobulbe eine Blütenscheide, aus der auch ein Blütentrieb entsprang, der seit einigen Wochen eifrig blüht.

Ich kultiviere Prosthechea cochleata in einer Mischung aus mineralischem Substrat: Bims, Akadama, Lava, Zeolith – alles was ich gerade da hatte. Der Topf steht immer in einer kleinen Schale, die mit Wasser gefüllt ist. Durch die Kapillarwirkung der Mineralien ist das Substrat stets feucht, aber nicht nass. Perfekte Bedingungen, wie es scheint, denn der Topf war innerhalb von wenigen Wochen komplett durchwurzelt. Der große Vorteil von mineralischen Substraten ist, dass sie sich nicht zersetzten und somit nur neu getopft werden muss, wenn der Topf zu klein geworden ist und die Neutriebe über den Rand hinauswachsen würden. Das wird im Frühjahr bei meiner Pflanze der Fall sein. Natürlich lässt sich Psh. cochleata auch in anderen Substraten erfolgreich kultivieren. Wichtig ist, dass sie stets feucht, aber nicht klatschnass ist.

Die Wasserqualität sollte nicht allzu salzhaltig sein, wobei die Pflanze schon etwas Dünger verträgt. Mein Wasser, mit dem ich die Schale immer auffülle, wenn sie leergesaugt ist, hat einen Leitwert von 200-300 Mikrosiemens. Im Winter weniger, da ich in dieser Zeit keinen Dünger gebe. Durch das geringe Lichtangebot im Winter fährt der Stoffwechsel der Pflanze herunter, wodurch sie weniger Nährstoffe verarbeiten kann. Wird in dieser Zeit zu viel gedüngt, verbleiben die Salze im Substrat, das dadurch versalzt und somit die doch recht feinen Wurzeln der „Tintenfischorchidee“ verbrennen würden. Wer im Winter mit künstlichem Licht arbeitet, kann natürlich auch dann etwas Dünger geben.

Prosthechea cochleata

Terrestrisch wachsende Prosthechea cochleata am Naturstandort in Guatemala
(Foto: Werner Blahsl)

Prosthechea cochleata

Hier sieht man schön, wie immer neue Knospen nachkommen – ebenfalls am Standort in Guatemala
(Foto: Werner Blahsl)

Da die Temperaturen an den verschiedenen Naturstandorten sehr variieren, ist Prosthechea cochleata hier nicht allzu anspruchsvoll. Ich kultiviere meine Pflanze im temperiert-warmen Bereich. Auch die große Hitze im Sommer hat ihr keinerlei Probleme bereitet, ich hatte sogar den Eindruck, dass ihr das sehr gutgetan hat. Wo andere Orchideen aus meinem Bestand das Wachstum für einige Wochen einstellten aufgrund der großen Hitze, kam sie so richtig in Fahrt und beendete das Wachstum der diesjährigen Pseudobulbe deutlich früher und zeigte direkt jetzt im Herbst schon ihren Blütentrieb. Auch im Winter steht sie bei mir im beheizten Orchideenzimmer, in dem die Temperaturen auch nachts nie unter 16 Grad fallen. Meistens liegen sie eher bei 17-18 Grad.

Direkte Mittagssonne bekommt meiner Pflanze nie, auch im Winter nicht. Die tiefstehende Abendsonne im Winter darf aber unschattiert auf sie fallen. Da dann die Tage deutlich kürzer sind, darf in der kurzen Zeit ruhig etwas mehr Licht aufgenommen werden. Die Blattfarbe ist saftig grün ohne Verbrennungen und ausgeblichene Stellen. Die winterliche Abendsonne scheint ihr also gut zu gefallen.

Durch die fast außerirdisch anmutenden Blüten ist Prosthechea cochleata ein wirklicher Hingucker, der teilweise ein halbes Jahr und länger an einer Infloreszenz blüht. Eine wahre Bereicherung für jedes Fensterbrett – auf der sie durch die kompakte Größe auch gut Platz findet. Viel Erfolg beim Kultivieren!

Besonderer Dank geht an Werner BLAHSL, der uns seine wunderbaren Fotos aus Guatemala zur Verfügung stellte! Danke!