Format: 21 x 13 cm, Hardcover, 255 Seiten, ISBN 978-3-365-00014-4, HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins, Deutschland, Preis: 20,00 €
Rein zufällig blieb mein Blick auf den anmutigen Zeichnungen vom Einband haften. Sie erinnerten mich an meine geliebten Kinderbücher. Prompt stürmte ich in die Buchhandlung, legte einen 20-€-Schein auf die Theke und nahm das Buch mit. Da ich zu dem Typ Homo sapiens var. alacer gehöre, kann ich mich in der Regel auf mein Bauchgefühl verlassen. Dies traf auch in diesem Fall zu.
Die junge Journalistin Noemi Harnickell, geschmückt mit einem Reporterpreis 2020, wagt sich an ein häufig beschriebenes Motiv heran, aber diesmal aus einem weiblich neugierigen und doch wissenschaftlich fundierten Blickwinkel. Und das nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern sie sucht die lebenden Schlüsselfiguren der Szene persönlich auf. So ergab sich, dass sie sogar an einem Gruppenabend der D.O.G.-Landesgruppe Württemberg teilnahm, um die gesuchten Objekte in natura zu sehen.
Der Vorhang geht auf: “Tatort Taubergießen“ mitten im 21. Jahrhundert; Hauptdarsteller ist der damals tätige Leiter der Inspektion für Organisierte Kriminalität der Kripo Offenburg. Sowohl die schwierigen Untersuchungsmethoden wie auch die in Sache Salep international tätige Unterwelt werden durchleuchtet.
Der Leser wird auf spannende Exkursionen mitgenommen, in exklusive botanische »Zirkel« geführt wie Herbarien in der Schweiz und in England, Gärtnereien in Südamerika und Indonesien und in geheime Rezepturen der Zubereitung und Produktion von Vanille-Eis mit Zugabe von Salep eingewiesen. Es ist ein gekonnter Wechsel zwischen ferner ‒ uns fremder ‒ Vergangenheit und hautnaher Gegenwart, wo coronabedingt geplante Reiseziele für Recherchen kurzfristig umgeplant werden mussten.
Die Autorin weiß kurzweilig zu erzählen und versteht hervorragend gesellschaftspolitische, philosophische oder auch botanische Hintergründe exakt zu beleuchten Wir gewinnen einen modernen, sachlichen Blickwinkel in Bezug auf marktwirtschaftliche Trends für Massenproduktion von ursprünglich höchst ausgesuchten Spezies, welche wie hochgepuschte Aktien nach kurzer Zeit ihren Wert mit einem Crash auf der Orchideenbörse verlieren.
Als Vertreterin des weiblichen Geschlechts macht sie sich auf die Suche nach Frauen in der Orchideengeschichte. Besonders in angelsächsischen Ländern im 19. Jahrhundert verschmelzen Frauen- und Orchideengestalten miteinander.
Das Buch ist nicht nur ein spannendes »Remake« des erfolgreichen Buches “Orchideenfieber“. Es ist mehr als nur eine Wochenendlektüre, weil es uns verdeutlicht, dass die faszinierende Welt der Orchideen uns eine geheime Verbindungstür zwischen völlig verschiedenen Welten aufschließt: zwischen Luxus und Massenproduktionsware, Leidenschaft und Habgier sowie Antike und Gegenwart.