Taxonomie

Was ist Taxonomie?

Taxonomie ist ein Teilgebiet der Biologie, in dem Lebewesen (Pflanzen und Tiere) nach bestimmten Kriterien in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Es setzt sich aus den griechischen Wörtern táxis für Ordnung und nómos für Gesetz zusammen und bedeutet so viel wie Ordnungsgesetze. Aus dieser Einteilung ergibt sich die Benennung der jeweiligen Lebewesen – die Nomenklatur. Diese Benennung ist international geregelt im sogenannten Melbourne Code (International Code of Nomenclature – ICBN)). Nach diesen Regeln ergeben sich verbindliche Namen, auch für unsere Orchideen, bei deren Schreibweise einiges zu beachten ist. Um eine Orchidee richtig zu benennen müssen zumindest zwei Namen genannt werden. An erster Stelle steht immer der Gattungsname, an zweiter Stelle immer der Name der Art. In der Orchideenkultur sind bei der Benennung der Orchideen taxonomische Regeln zu beachten, die im Nachfolgenden erläutert werden.

Warum sind taxonomische Regeln wichtig?

Anhand der richtigen Benennung einer Orchidee erkennt man auf den ersten Blick, ob es sich um eine Naturform, eine Naturhybride oder eine »menschgemachte« Hybride handelt. Da die Regeln für die Naturformen und Naturhybriden weltweite Gültigkeit haben, ist es für jeden Orchideenliebhaber ‒ egal ob Botaniker aus England oder hobbymäßiger Sammler aus dem Westjordanland ‒ gleichermaßen verständlich, um welche Pflanze es sich handelt.Phalaenopsis zum Beispiel wird in Deutschland auch gerne Schmetterlingsorchidee genannt, mit einer »butterfly orchid« kann ein Engländer aber nichts anfangen, da sie dort als »moth orchids« (Nachtfalterorchideen) geläufig sind. Phalaenopsis verstehen aber beide.

Welche Regeln und Begriffe sind für mich als Orchideenliebhaber wichtig?

Die wichtigsten Begriffe im Bereich der Orchideenkultur sind Gattung, Art und ein eventueller Kultivar- bzw. Klonname. Zusätzlich zu diesen 3 Punkten sind noch 3 Untergruppierungen der Art von Bedeutung.

Unterart (subspecies, subsp.)
Varietät (var.)
Form (forma, fma. oder f.)

Gattung (lat.: Genus)

Eine Gattung besteht aus einer oder einer Gruppe von Arten mit gemeinsamer Abstammung. Außerhalb der Gattung gibt es keine Arten, die von den gleichen Vorfahren abstammen. Der Gattungsname steht immer an erster Stelle und wird immer mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. In der Fachliteratur wird der Gattungsname in der Regel auch kursiv geschrieben oder unterstrichen. Er leitet sich aus dem Lateinischen oder Altgriechischen ab und beschreibt oft ein Merkmal der Pflanzengattung oder es wurde eine berühmte Persönlichkeit damit geehrt. Dendrobium zum Beispiel setzt sich aus den altgriechischen Wörtern für Baum und bios für Leben zusammen, bedeutet also auf dem Baum wohnend, epiphytisch.

Art (lat.: Species)

Eine Art liegt vor, wenn zu ihrer Charakterisierung eindeutige, konstante, morphologisch trennende Kriterien vorhanden sind, und wenn sie ökologisch, geografisch oder auf andere Weise von verwandten Arten isoliert ein bestimmtes Verbreitungsgebiet besiedelt. Anhand des Artnamens kann man sofort erkennen, ob es sich um eine Naturform, eine Naturhybride oder eine menschengemachte Hybride handelt. Der Artname steht immer an zweiter Stelle. Da sich die Schreibweise hier bei allen 3 Möglichkeiten etwas unterscheidet, müssen wir die einzelnen Möglichkeiten getrennt voneinander betrachten. Als Beispiel nehme ich für die folgenden Erläuterungen Phragmipedium schlimii.

Naturform (Art)

Der Artname wird immer klein geschrieben, in der Fachliteratur zusätzlich auch kursiv. Beim Artnamen gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, worauf sich der Name bezieht. Manche Arten werden nach ihrem Entdecker benannt, manche nach ihrem geografischen Verbreitungsgebiet oder auch nach einem bestimmten Merkmal der Pflanze. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, eines aber haben alle Artnamen gemeinsam: sie werden immer latinisiert.

Phragmipedium schlimii wurde nach seinem Entdecker, dem belgischen Pflanzensammler Louis Joseph Schlim, benannt. Der Name Schlim wurde latinisiert, indem er die  Endung –ii erhielt. Oftmals sieht man hinter dem Namen von Naturformen zusätzliche Namen oder deren Abkürzungen und Zahlen. Oft auch Namen in Klammern, danach noch einen Namen und eine Zahl, wie bei Phragmipedium schlimii (Linden ex Reichenbach f.) Rolfe, 1896.

Die Namen in der Klammer, in unserem Beispiel Linden und Reichenbach f., sind die Autoren, die im Jahre 1854 die Erstbeschreibung dieser Naturform veröffentlichten, damals noch als Selenipedium schlimii. Die endgültige Klassifizierung als Phragmipedium schlimii wurde dann im Jahre 1896 von dem englischen Botaniker Robert Allen Rolfe vorgenommen. Deshalb steht nach der Klammer: Rolfe, 1896. Der Name Selenipedium schlimii gilt heute als Synonym von Phragmipedium schlimii.

Unterarten (susp.), Varietäten (var.) und Formen (f.)

Bei vielen Naturformen gibt es Unterarten, Varietäten und Formen.

Unterarten sind etwa Populationen am Rande des Verbreitungsgebietes einer Art mit Abwandlungen des Erscheinungsbildes, sodass sich Populationen morphologisch von der Stammart eindeutig unterscheidbarer Pflanzen herausbilden, die aber in wesentlichen Merkmalen noch mit der Stammart übereinstimmen.

Varietäten sind kleinräumige Abweichungen innerhalb des Verbreitungsgebietes, die gelegentlich auch clusterartige Kleinpopulationen bilden.
Formen sind auffällige individuelle Abweichungen einzelner Pflanzen.

Für den Züchter sind Pflanzen der niedrigsten Kategorie – der Form – oft wichtig, weil sie attraktive Ausnahmeerscheinungen sein können. Für die Entwicklung neuer Arten sind es eher die Unterarten und Varietäten, die von Interesse sind.

Unterscheiden sie sich nur in Merkmalen wie zum Beispiel der Farbe, spricht man von einer forma, die auch oft mit fma. oder f. abgekürzt wird. Bei unserer Beispielart gibt es eine fast weiße Farbform, die den Zusatz albiflorum (lat. = weißblütig) bekommen hat. Den Zusatz forma (fma., f.) schreibt man nicht kursiv, albiflorum aber schon.

Phragmipedium schlimii forma albiflorum

Phragmipedium schlimii fma. albiflorum

Phragmipedium schlimii f. albiflorum

Eine Varietät unterscheidet sich stärker von der eigentlichen Art als eine Form. Geschrieben wird das dann als var., ebenfalls nicht kursiv und klein. Bei unserem Beispiel wurde erst kürzlich das vorher als eigenständige Art eingestufte Phragmipedium manzurii zu einer Varietät herabgestuft:

Phragmipedium schlimii var. manzurii

Naturhybriden

Gelegentlich kommt es vor, dass zwei Arten einer Gattung im selben Verbreitungsgebiet heimisch sind und von den gleichen Insekten bestäubt werden. Dadurch können dann Naturhybriden (Kreuzungen in der Natur) entstehen. Um diese als solche zu kennzeichnen, sieht die Nomenklatur vor, dass zwischen den Gattungsnamen und den Namen der Hybride das mathematische Multiplikations- oder Malzeichen × gesetzt wird. Schreibt man von einer in der Natur entstandenen Hybride, dann wird auch der darauf folgende Hybridname klein geschrieben.

Um bei unserem Beispiel zu bleiben, nehmen wir eine Naturhybride mit Phragmipedium schlimii, das sich stellenweise ein Gebiet mit Phragmipedium andreettae teilt. Eine Kreuzung, die daraus entstehen kann, nennt sich daguense und wird hinter ein × gestellt und klein geschrieben. Es werden dann sowohl Gattungs- als auch Hybridname kursiv geschrieben:

Phragmipedium × daguense

Hybriden

Gärtnerisch erzeugte Hybriden einer Gattung können bei der Royal Horticultural Society (RHS) in Großbritannien in ein weltweit gültiges Register eingetragen werden, sobald eine neue Kreuzung erstmalig blüht. Den Namen dieser neuen Kreuzung darf der Züchter der Orchidee frei wählen, wobei der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Diese Hybridnamen werden immer groß und nicht kursiv geschrieben. Um bei unserem Beispiel mit Phragmipedium schlimii zu bleiben, nehmen wir hier die weit verbreitete Hybride mit Phragmipedium besseae, die Hanne Popow heißt. Geschrieben wird der Gattungsname wieder kursiv, der Hybridname aber nicht:

Phragmipedium Hanne Popow

Kultivare und Klone

Hat eine Pflanze in Kultur eine besonders schöne Blüte, die sich von den gängigen abhebt, werden diese oft von Züchtern selektiert und bekommen dann zusätzlich noch einen Kultivarnamen. Dieser wird auch immer groß geschrieben und in 2 einfache Anführungszeichen(‘Xxx’) gesetzt. Auch hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, was die Namensgebung angeht. Diesen Kultivarnamen tragen dann nur jene Pflanzen, die exakt das gleiche Erbgut besitzen. Das heißt, es müssen Teilstücke der Originalpflanze sein oder Klone aus Meristemvermehrung. Geschrieben wird das dann wie folgt:

Phragmipedium schlimii ‘Graue’

(Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Code_der_Nomenklatur_der_Kulturpflanzen und https://de.wikipedia.org/wiki/Cultivar)

Prämierte Pflanzen

Große Orchideenvereine der Welt, wie die D.O.G., bieten regelmäßig Tischbewertungen an, bei denen Pflanzen aus Kultur vorgestellt werden können und bewertet werden. Diese Pflanzen erhalten vom Besitzer einen Kultivarnamen und dürfen nach Erteilung einer Auszeichnung diese zusätzlich noch im Namen tragen. Die Auszeichnungen werden immer abgekürzt. Zuerst kommt die erreichte Medaille, dann ein Schrägstrich und dahinter die Orchideengesellschaft, die den Preis vergeben hat. Das sieht dann folgendermaßen aus:

Phragmipedium schlimii ‘Graue’ SM/DOG

Diese Pflanze wurde also bei einer Tischbewertung der Deutschen Orchideen-Gesellschaft mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Es werden Gold-, Silber- und Bronzemedaillen – bei der D.O.G. mit GM, SM und BM abgekürzt – für besonders schön geformte und/oder gefärbte Blüten, für eine besondere Fülle an Blüten oder eine besonders gut kultivierte Pflanze vergeben..

Ein ganz herzliches Dankeschön geht an Herrn Hermann Voelckel, der uns mit seinem Fachwissen bei der Überarbeitung der Seite unterstützt hat.