Phragmipedium andreettae ‘Schneeflocke’ – ein ganz weißer Klon
(Foto: Thomas Jacob)
Der englische Botaniker Phillip James CRIBB, Kurator des Orchideen-Herbariums der Kew-Gardens in England, und der in Costa Rica lebende Orchideenspezialist Prof. Franco PUPULIN beschrieben Phragmipedium andreettae erstmalig im Jahre 2006 in Lankesteriana, dem wissenschaftlichen Journal des botanischen Gartens von Lankester. Wann und wo genau diese neue Naturform zuerst gefunden wurde, ist leider nicht bekannt. Fest steht nur, dass sie erstmalig in den Gewächshäusern von Pepe Portilla (Ecuagenera) in Gualaceo in Ecuador erblühte. Ihren Namen Phragmipedium andreettae bekam sie zu Ehren des Padre ANDREETTA, eines Salesianer-Priesters, der sich zeit seines Lebens intensiv mit Orchideen beschäftigte und nicht zuletzt Pepe Portilla den Anstoß dazu gab, die Firma Ecuagenera zu gründen und aufzubauen.
Heimisch ist Phragmipedium andreettae in Nordwestecuador und Kolumbien, wo es litophytisch und terrestrisch in Höhenlagen von 500-1000 Metern über dem Meeresspiegel anzutreffen ist. Da die Pflanzen oft zusammen mit Phrag. schlimii und Phrag. fischeri wachsen, kommt es zu einer natürlichen Hybridisierung der Arten. Die genaue Erforschung dieser Naturhybriden ist jedoch noch nicht endgültig abgeschlossen. Das Klima am Standort bietet ganzjährig hohe Luftfeuchtigkeit, ständige Luftbewegung und regelmäßige Niederschläge bei Tagestemperaturen von 26-30 Grad und ca. 20 Grad in der Nacht. Die Standorte sind stets hell, liegen aber nicht in direkter Sonne. Sehr häufig ist Phrag. andreettae in der Nähe von Flüssen und Bächen zu finden und wächst dort direkt auf feuchten Klippen oder zwischen Gräsern und Moosen.
Die Blätter von Phragmipedium andreettae können bis zu 17 cm lang werden. Jeder Trieb bildet 3-5 Blätter aus, bevor er zur Blüte kommt. Der aufrecht wachsende Blütentrieb bildet 2-4 Blüten aus, die sich nacheinander öffnen. Die Infloreszenz hat eine Gesamtlänge von 12-18 cm. Die Blüten werden ca. 5 cm hoch und ebenso breit. Sie variieren in Form, Farbe und Größe. Die Farbvarianten reichen von blassrosa bis zu fast reinweißen Blüten, die lediglich auf der Rückseite zartrosa überhaucht sind. Es ist nicht auszuschließen, dass auch komplett weiße Klone existieren. Bisher wurden diese aber noch nicht entdeckt. Die ersten Blüten junger Pflanzen zeigen oft noch eine sehr schlechte, unsymmetrische Haltung. Je älter und größer die Pflanze wird, desto besser wird auch die Haltung der Blüten. Phrag. andreettae blüht oft schon sehr früh, also wenn die Pflanze selbst noch sehr klein ist.
Habitus von Phragmipedium andreettae ‘Schneeflocke’
(Foto: Thomas Jacob)
Die Blüte von Phragmipedium andreettae ‘Schneeflocke’ im direkten Vergleich mit meinen Fingern
(Foto: Thomas Jacob)
Vor etwas über drei Jahren bekam ich eine Flasche mit Phragmipedium-Sämlingen sehr günstig angeboten, da diese nur sehr wenige Wurzeln im Nährmedium gebildet hatten. Deklariert war die Flasche als Phrag. andreettae × Phrag. pearcei, eine damals noch nicht registrierte Kreuzung, die heute als Phragmipedium Alejandro Teson registriert ist. Da der Preis nicht der Rede wert war, nahm ich das Angebot an, obwohl mir jegliche Erfahrung mit so kleinen Sämlingen und dem Entflaschen dieser fehlte. Ohne groß zu recherchieren, ging ich beim Entflaschen und anschließenden Pikieren recht unbedarft und nach Bauchgefühl an die Sache ran. Ich holte die Sämlinge aus ihrer Flasche, entfernte vorsichtig das Nährmedium mit lauwarmem Wasser und topfte sie einzeln in kleine transparente Töpfe, um das Wurzelwachstum gut beobachten zu können. Denn Wurzeln waren nur sehr wenige vorhanden und die waren auch noch sehr kurz. Als Substrat verwendete ich eine Mischung aus feiner Rinde, Perlite, Moos und sogar einen kleinen Anteil Torf. Für den Torf entschied ich mich, da ich damals meine Phragmipedien noch nicht mit nassem Fuß kultivierte, sondern sie alle paar Tage tauchte. Die kleinen Töpfe wären ohne Torf einfach zu schnell abgetrocknet. Diese Mischung kann nicht so schlecht gewesen sein, denn innerhalb kurzer Zeit kamen die ersten Wurzeln am Topfrand an und wuchsen um den Topf herum. Auch die Pflanzen selbst entwickelten sich gut weiter, jedes neue Blatt war größer und breiter als das vorherige. Es machte richtig Spaß den Kleinen beim Wachsen zuzusehen. Da sich der Pflanzstoff durch den Torf und das Moos recht schnell verdichtete, bekamen die Pflanzen alle 6-8 Monate neues Substrat. Je mehr Wurzeln sie hatten und je größer der Topf wurde, desto weniger Torfanteil hatte ich dem Substrat beigemischt. Obwohl ich nach ca. einem Jahr meine Kultur umstellte und die Pflanzen nicht mehr getaucht wurden, sondern immer in 1-2 cm Wasser standen, gab ich bei den kleinen Pflanzen noch etwas Torf hinzu. Erst beim letzten Topfen in 8-9 cm große Töpfe nach ca. 2 1/2 Jahren änderte ich die Mischung des Pflanzstoffes auf meine Standard-Mischung für die gängigen Phragmipedien. Rinde, Perlite, Holzkohle und etwas mineralischen Anteil wie Bims oder Akadama – alles in etwas feinerer Körnung als bei meinen großen Phragmipedien, da die Jungpflanzen wesentlich kleinere Töpfe haben und auch feinere Wurzeln. Heute – drei Jahre später – kommen die ersten drei Pflanzen von den acht, die ich behielt, zur Blüte und es stellte sich heraus, dass es keine Hybriden aus Phrag. andreettae und Phrag. pearcei sind, sondern reine Phragmipedium andreettae. Ich unterstelle dem Verkäufer keine arglistige Täuschung, da mir Eliseo TESON, ein kolumbianischer Phragmipedium-Spezialist, erklärte, dass Phrag. andreettae zur Selbstbestäubung neigt. Daher ist nicht jede Hybridisierung von Erfolg gekrönt, auch wenn sich keimfähiger Samen entwickelt. Manchmal kommt dann eben „nur“ ein reines Phragmipedium andreettae raus. Da die erste Blüte, die letzte Woche bei mir aufging, ein fast reinweißer Klon ist, der wirklich nur einen ganz zarten Hauch von Rosa auf der Rückseite hat und auch in der Haltung für eine Erstblüte schon sehr schön ist, bin ich gar nicht böse, dass es nicht die erwartete Hybride Phragmipedium Alejandro Teson ist.
Zum Substrat schrieb ich ja schon im oberen Teil. Wobei natürlich auch andere Pflanzstoffe möglich sind. Wichtig ist, dass das Substrat gut Feuchtigkeit hält und nicht komplett abtrocknet. Den Sommer über dünge ich bei jedem Wässern mit einem Leitwert von ca. 300-350 Mikrosiemens. Im Winter gebe ich grundsätzlich keinen Dünger, da durch das fehlende Licht der Stoffwechsel der Pflanze herunterfährt und die angelagerten Salze im Substrat ausreichen, um die Pflanze gut durch den Winter zu bringen. Wer im Winter zusätzlich mit Kunstlicht beleuchtet und so den Stoffwechsel hochhält, kann natürlich auch im Winter düngen. Dies ist bei Phragmipedium andreettae aber nicht zwingend notwendig.
Phragmipedium andreettae wird bei mir richtig warm kultiviert, wie am natürlichen Standort. Im Sommer haben wir es hier in Süddeutschland ja meist sehr warm bis heiß. Da ist ein Aufenthalt im Freien möglich, aber nicht unbedingt notwendig, wenn im Innenraum für genügend Luftbewegung durch regelmäßiges Lüften oder einen Ventilator gesorgt wird. Im Winter stehen die Pflanzen in meinem beheizten Orchideenzimmer. An bewölkten Tagen erreichen die Temperaturen 24 Grad, an sonnigen Tagen heizt sich der Raum auch mal auf 30-33 Grad auf. Nachts fallen die Temperaturen auf 18-20 Grad zurück, je nach Außentemperatur.
Ein stark gefärbter Klon von Phragmipedium andreettae
(Foto: Deutsche Orchideen-Gesellschaft)
Die Blüte von Phragmipedium andreettae ‘Schneeflocke’ im Profil
(Foto: Thomas Jacob)
Das Orchideenzimmer hat an der Südseite eine riesige Glasfront, die im Sommer etwas schattiert wird. Im Winter (Oktober bis Februar) wird nicht schattiert und das volle Sonnenlicht fällt auf die Pflanzen. Das wird bisher von all meinen über 300 Phragmipedien gut vertragen. Von März bis September muss aber unbedingt schattiert werden, da die Blätter sonst sehr schnell verbrennen. Bei zu wenig Licht werden die Blätter deutlich länger und schmaler als üblicherweise und meist fällt dann auch die Blüte aus.
Sehr wichtig bei der Kultur von Phragmipedium ist ausreichende Luftbewegung. Stehende Luft wird sehr schnell mit Pilzbefall quittiert. Im Sommer habe ich daher, wann immer es geht, das große Fenster komplett offen. Im Winter versuche ich, so viel wie möglich zu lüften, und gelegentlich läuft zusätzlich ein Ventilator im Zimmer.
Durch den Austausch mit anderen Phragmipedium-Sammlern erfuhr ich, dass für Phragmipedium andreettae eine möglichst hohe Temperatur sehr wichtig zu sein scheint. Kühlere Temperaturen im Winter bedeuteten bei einigen Orchideenliebhabern den Tod der Pflanze. Nach meinen Erfahrungen werden etwas kühlere Tage gut vertragen. Nächte unter 18 Grad auf Dauer dagegen nicht so gut.
Ansonsten ist diese wunderbare Naturform ein genügsamer Geselle und zuverlässiger Blüher, der durch die kompakte Größe auch gut auf der Fensterbank Platz findet.