Dryadella aurea – die kleine goldene Waldnymphe
(Foto: Werner Holzmann)
Der erst kürzlich verstorbene amerikanische Botaniker Carlyle August LUER – ein weltweit anerkannter Spezialist für Pleurothallidinae – und sein ecuadorianischer Kollege Alexander Charles HIRTZ beschrieben die Art erstmalig im Jahr 1999 in „Monographs in Systematic Botany from the Missouri Botanical Garden 76: 159“. Der Gattungsname Dryadella leitet sich vom lateinischen Wort Dryas ab. Dryaden sind Baumnymphen, die ihren Ursprung in der griechischen Mythologie haben, wo sie als Gottheiten mit Sitz in großen sommergrünen Eichen angesehen wurden. Die Endung -ella ist das Diminutiv, also eine Verniedlichung dieser Baumnymphen. Der Artname aurea lässt sich mit golden, oder goldgelb übersetzen. Dryadella aurea sind also kleine, goldene Baumnymphen. Angesichts des epiphytischen Vorkommens der Art eine wirklich treffende und schöne Namensgebung, wie ich finde.
Das natürliche Verbreitungsgebiet von Dryadella aurea erstreckt sich von Ecuador bis nach Peru. Die Art wächst dort auf Höhen von 700 – 950 Metern über dem Meeresspiegel unter temperiert bis kühlen Bedingungen. Niederschläge gibt es das ganze Jahr hindurch. Die Luftfeuchtigkeit in den Regenwäldern der Anden ist ebenfalls ganzjährig sehr hoch. Das Habitat trocknet demnach niemals aus. Die kleinen und empfindlichen Pflanzen werden vom Laub der großen Bäume vor zu starker Sonneneinstrahlung geschützt.
Wie die meisten Pflanzen der Pleurothallidinae hat Dryadella aurea keine Speicherorgane. An einem kurzen und dünnen Stiel sitzt ein einzelnes festes Blatt. Der Stiel ist nur einen Zentimeter lang und von einer trockenen Hülle umgeben. Das Blatt ist dunkelgrün, stark gekielt und hat eine abgerundete Spitze. Das Laub wird bis zu 5 cm lang. Am unteren Ende des Stiels, geschützt von der trockenen Hülle, entspringt die Infloreszenz, die nur 1-2 cm lang wird und eine einzelne leuchtend gelbe Blüte trägt. Die Sepalen dominieren das Erscheinungsbild der Blüten. Die Petalen und das Labellum sitzen im Schlund der Blüte und werden zusammen mit den Geschlechtsteilen vom darüberliegenden Sepalum geschützt. Während Lippe, Petalen und Synsepalen durchgefärbt sind, ist das dorsale Sepalum leicht durchscheinend.
Habitus von Dryadella aurea
(Foto: Werner Holzmann)
Dryadella aurea hängt bei Werner Holzmann in einer Vitrine und wird ausschließlich mit Kunstlicht beleuchtet
(Foto: Werner Holzmann)
Kultivieren lässt sich Dryadella aurea zwar auch getopft in feiner Rinde, Sphagnum-Moos oder auch mineralisch, wesentlich einfacher ist aber eine aufgebundene Kultur in einer Vitrine oder einem Gewächshaus. Im Folgenden stelle ich euch die Kulturmethode von Werner Holzmann vor, der die Art seit einigen Jahren erfolgreich in einer Orchideenvitrine pflegt:
Wie oben schon erwähnt besitzt Dryadella aurea keine Speicherorgane und muss somit dauerfeucht gehalten werden. Auch hohe Luftfeuchtigkeit wirkt sich sehr positiv auf Wachstum und Blühfreudigkeit aus. Aus diesem Grund kultiviert Werner Holzmann seine Pflanze in seiner Orchideenvitrine, wo hohe Luftfeuchtigkeit leichter zu erreichen ist. Er besprüht die kleine Pflanze täglich mit salzarmem Wasser. Mehrmals täglich laufen kleine Ventilatoren, die dafür sorgen, dass die Blätter abtrockenen können und nicht zu faulen beginnen. Alle vier Wochen gibt es etwas Dünger mit ins Wasser. Der Leitwert des Düngerwassers liegt bei 150-200 Mikrosiemens/cm.
Natürliches Tageslicht erhalten die Pflanzen in seinem Orchidarium nicht. Er beleuchtet ausschließlich mit Kunstlicht. Derzeit nutzt er dafür noch eine Leuchtstoffröhre, die speziell auf die Kultur von Pflanzen ausgelegt ist. Aufgrund des Stromverbrauchs und des Umweltschutzes ist eine Umstellung auf LED-Lampen geplant. Ein weiterer Vorteil von LED-Lampen ist, dass sie kaum Temperatur erzeugen, was bei kühler zu kultivierenden Pflanzen natürlich deutlich besser ist. Leuchtstoffröhren können sehr heiß werden und je nach Anbringung die Vitrine stark aufheizen. Die Temperaturbedingungen in der Vitrine sind kühl-temperiert, da sie in einem unbeheizten Raum steht, in dem das Fenster nur bei Frost geschlossen wird. Im Sommer wird es natürlich auch mal etwas wärmer, was den Pflanzen aber nicht schadet.
Als Unterlage zum Aufbinden nimmt Werner Holzmann sehr gerne Presskork. Er mag vielleicht nicht so langlebig sein, da er sich durch die andauernde Feuchtigkeit schnell zersetzt, dafür lässt er sich aber ganz einfach zerbröseln, wenn es an der Zeit ist die Pflanze neu aufzubinden. Früher oder später muss jede Unterlage ausgetauscht werden. Bei harten Materialien, die sich nicht zersetzen, hat man dann immer das Problem, dass man die Wurzeln nicht davon lösen kann, ohne sie zu verletzten oder gar abzureißen.
Allein schon wegen ihrer Namensgebung habe ich beim Schreiben dieses Beitrags große Lust bekommen eine kleine, goldene Baumnymphe zu adoptieren. Ihr auch? Viel Erfolg beim Kultivieren!