Paphiopedilum bellatulum

Paphiopedilum bellatulum

Paphiopedilum bellatulum ‘Mike’ SM/D.O.G.
(Foto: Thomas Jacob)

Autor/in: Thomas Jacob
Veröffentlicht: 13.04.2020

Im Jahr 1888 beschrieb der deutsche Botaniker Heinrich Gustav REICHENBACH die Art erstmalig als Cypripedium bellatulum. Vier Jahre später überführte sein ebenfalls aus Deutschland stammender Kollege Berthold STEIN die Art in die Gattung Paphiopedilum. Der Beitrag, der dieser Art ihren bis heute anerkannten Namen verlieh, erschien in „Orchideenbuch“. Der Gattungsname setzt sich zusammen aus den beiden griechischen Wörtern Paphos (= eine Küstenstadt auf Zypern und nach der Mythologie die Geburtsstadt der Göttin Aphrodite, weswegen diese auch den Beinamen Paphía erhielt, also die Paphische) und pedilon (= der Pantoffel, nach der Ähnlichkeit der Lippe mit einem Schuh). Das Pendant zu Aphrodite ist Venus in der römischen Mythologie. So wird Paphiopedilum auch heute noch im deutschsprachigen Raum sehr oft Venusschuh genannt. Der Artname bellatulum kommt aus dem Lateinischen. Bellatulus ist das Diminutiv, also die Niedlichkeitsform, von bellus. Übersetzen lässt sich bellatulum mit niedlich. Paphiopedilum bellatulum ist also der niedliche Venusschuh. Ich finde diese Namensgebung wirklich passend. Diese Naturform ist eine meiner liebsten aus der Gattung.

Paphiopedilum bellatulum

Paphiopedilum bellatulum ‘Vroni’ SM/D.O.G.
(Foto: Deutsche Orchideen-Gesellschaft)

Paphiopedilum bellatulum

Eine Gruppe Paphiopedilum bellatulum am Schaustand eines Händlers
(Foto: Thomas Jacob)

Paphiopedilum bellatulum ist, wie alle Arten der Gattung, auf dem asiatischen Kontinent beheimatet. Sein natürliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Indien über Myanmar bis nach Thailand und China, wo es in Höhenlagen von 300 bis 1600 Metern über dem Meeresspiegel fast ausschließlich schattige Standorte ohne direktes Sonnenlicht auf bemoosten Kalksteinfelsen besiedelt. Die Temperaturbedingungen liegen in der Regel im temperierten bis warmen Bereich. Einzelne Individuen wachsen in höheren Lagen aber auch unter kühleren Bedingungen. Niederschläge gibt es das ganze Jahr über, sodass das Habitat, das allerdings sehr gut drainiert ist, niemals austrocknet und den Pflanzen stets genügend Feuchtigkeit zur Verfügung steht.

Das Laub von Paphiopedilum bellatulum ist dunkelgrün und mit einer schönen Musterung versehen. Die Unterseiten der bis zu 20 cm langen Blätter sind violettrot. Die sympodiale Art beendet das Wachstum eines Triebes mit einer kurzen violetten Infloreszenz, die leicht überhängend wächst. An jeder Infloreszenz sitzt eine große Blüte, deren Labellum im Vergleich zu den restlichen Blütenteilen sehr zierlich ist. Fahne und Petalen sind flächig und rund. Die gesamte Blüte ist weiß gefärbt und mit mal mehr und mal weniger intensiv violettroten bis schwarzen Punkten besetzt. Die Blüten duften nicht.

Bei der Kultur auf der Fensterbank habe ich ein paar Anläufe gebraucht, bis es mit der Art richtig gut geklappt hat. Anfangs stand sie in mittelgroßer bis feiner Rinde mit etwas Moos und Perliten. Wie bei meinen anderen Paphiopedilen habe ich auch mein erstes Paphiopedilum bellatulum regelmäßig getaucht, damit der Pflanzstoff immer schön feucht blieb. Leider kommt es bei mir aufgrund von Zeitmangel oder Urlaub öfter vor, dass ich es nicht so regelmäßig schaffe zu wässern, wie ich es gerne machen würde. Damit haben viele andere Paphiopedilen – besonders Hybriden – meist kein Problem. Meinem Paphiopedilum bellatulum war das aber sehr schnell zu trocknen und das Laub fing an zu dehydrieren. Eine Zeit lang ging das zwar gut, aber die Pflanze kam nie zur Blüte. Auch die Anzeichen von Dehydrierung, wie faltige, schlaffe Blätter, nahmen zu. Ich beschloss es mit mineralischem Substrat zu probieren, mit dem ich in der Zwischenzeit bei anderen Paphiopedilen gute Erfahrungen gemacht hatte. Wenn ich in mineralischem Substrat kultiviere, stehen die Töpfe bei mir dauerhaft in einer kleinen Pfütze Wasser. Das Substrat saugt sich dann das Wasser nach oben und wird gleichmäßig feucht. Allerdings wird es scheinbar zu feucht, denn meine Pflanze und eine weitere neu gekaufte bekamen innerhalb einiger Monate faulige Wurzeln und erholten sich nicht davon. Da mir die Blüten dieser Naturform aber so gut gefallen, musste ich es nochmals probieren. Ich erwarb ein fast blühstarkes, kräftiges Pflänzchen am Tag der offenen Tür einer Orchideengärtnerei. Der Plan war, es erneut mit dem Tauchen zu versuchen. Diesmal mit etwas feinerem Substrat, das etwas länger feucht bleibt, aber regelmäßig gut antrocknen kann. Das Problem war, dass ich in den Tagen nach dem Kauf überhaupt keine Zeit hatte. Es wurden Temperaturen weit über 30 Grad gemeldet, der Pflanzstoff im Topf bestand aus mittelgroßem bis grobem Rindensubstrat ohne Zusatzstoffe. Ich wusste, dass es zu trocken sein würde, wenn ich es bei der Hitze nicht regelmäßig wässerte. Ich wusste aber auch, dass ich für 10 Tage nicht zu Hause sein würde und die Pflanze somit verdursten würde. Also stellte ich sie einfach zu meinen Phragmipedien in eine große Schale, die mit etwas Wasser gefüllt ist. Ich dachte, dass bei der Hitze etwas mehr Feuchtigkeit besser wäre als zu wenig. Und in dieser Wasserschale habe ich sie dann für ein paar Monate vergessen. Als ich sie wiederfand, hatte sie eine fette Knospe und schon drei neue Triebansätze. Da ich während der Blüte grundsätzlich nicht umtopfe, blieb sie im Substrat und auch im Wasser bei den Phragmipedien. Die Blüte öffnete sich dann und wurde auf einer unserer Tischbewertungen sogar mit einer Silbermedaille prämiert. Ich vergaß die Pflanze wieder…. Als ich sie dann wieder sah, standen die drei Neutriebe voll im Saft und die ganze Pflanze erschien kräftig und gesund. Jetzt musste ich aber wirklich mal umtopfen, schießlich war sie schon einige Zeit überfällig. Beim Austopfen fand ich, dass das Substrat zwar leicht feucht war, aber nicht durchnässt, wie Rinde normalerweise ist, wenn sie dauerhaft im Wasser steht. Außerdem bemerkte ich, dass eine großzügige Drainage aus Styropor unten im Topf lag. Dieses Styropor schien die perfekte Verbindung zwischen der Nässe unten und dem Pflanzstoff zu bilden, also gab es im neuen Topf ebenfalls wieder großzügig Styropordrainage und darauf reine Rinde, die nicht zu fein ist. Und der Topf kam auch wieder mit den Füßen ins Wasser. Der Wasserstand in der Schale liegt immer niedriger, als die Styropordrainage hoch ist, darauf achte ich sehr. Mit diesem System wurde Paphiopedilum bellatulum für mich kultivierbar und das auch noch ohne großen Aufwand. Inzwischen wurde aus der Jungpflanze ein großer, mehrtriebiger Busch. Dieses Jahr gab’s fünf Neutriebe – mal schauen, ob sie alle zur Blüte kommen…

Paphiopedilum bellatulum

Paphiopedilum bellatulum ‘WOB Tränenreich’ SM/D.O.G.
(Foto: Deutsche Orchideen-Gesellschaft)

Paphiopedilum bellatulum

Paphiopedilum bellatulum ‘Cockies & Cream’ SM/D.O.G. bekam auch noch Silber für die gute Kultur
(Foto: Deutsche Orchideen-Gesellschaft)

Die Temperaturbedingungen sind im Winter temperiert und im Sommer eben sommerlich warm bis heiß, wie es halt in einem bewohnten Raum ist. Die Pflanze steht zwar in der Nähe eines Südfensters, allerdings ca. 1 Meter von der Scheibe entfernt, sodass die hochstehende Mittagssonne im Sommer nicht auf die Pflanze fällt. Sehr hell ist es aber dennoch, da es ein außerordentlich großes Fenster ist. Gedüngt wird vom Frühling bis in den Herbst mit einem ausgewogenen Orchideendünger. Das Wasser hat einen Leitwert von ungefähr 350-450 Mikrosiemens/cm. Im Winter reduziere ich den Leitwert auf circa 150 – 200 Mikrosiemens/cm. Zusätzlich gibt es drei bis vier Mal im Jahr etwas Hüttenkalk in das Substrat. Der Hüttenkalk gibt nicht nur wichtiges Calcium an die Pflanze, sondern reguliert auch den PH-Wert des Substrats.

Für mich ist Paphiopedilum bellatulum wirklich eine der allerschönsten Orchideen-Arten und ich bin wirklich glücklich endlich einen Weg gefunden zu haben, mit dem die Kultur klappt. Viel Erfolg beim Kultivieren!